Landesvorstand
VNSB Landesvorstand trifft Ministerpräsident Weil und Justzministerin Havliza
Als am 08.07.2021 der VNSB vor dem Niedersächsischen Landtag in einer Demonstration seinen Unmut über die nach wie vor angespannte finanzielle und personelle Lage im Justizvollzug kund tat, rechnete zunächst niemand damit auch die Landesspitze zu erreichen.
So kam es, dass an diesem Tag auch der Ministerpräsident aus Niedersachsen, Herr Stephan Weil im Landtag zu gegen war. Der Vorsitzende des VNSB, Oliver Mageney nutzte den Moment der Ankunft, um die Aufmerksamkeit des Ministerpräsidenten auf den Verband und den Vollzug zur richten. In einem kurzen Gespräch gelang es, das Interesse zu steigern, jedoch gab der Ministerpräsident offen zu, nicht umfänglich über den aktuellen Sachstand im Justizvollzug unterrichtet zu sein (wir berichteten – VNSB-Info 3/2021, S. 17 u. BSBD-Der Vollzugsdienst, Niedersachsenteil). Ministerpräsident Weil signalisierte jedoch Gesprächsinteresse.
Ob das wohl ernst gemeint war, war sicher auch eine Frage, die mal im VNSB-Landesvorstand aufkam. Aber fast so schnell, wie ein Anschreiben mit einem Kurzmemorandum des VNSB das persönliche Büro des Ministerpräsidenten erreichte, so schnell erfolgte eine Antwort mit tatsächlich einer Einladung zu einem persönlichen Gespräch. Man darf sich hier gerne einmal nicht nur die Überraschung, sondern auch die Freude innerhalb des Landesvorstandes über diesen Teil-Erfolg vorstellen!
Am 03.11.2021 war es soweit und der VNSB-Landesvorstand, vertreten durch seinen Vorsitzenden Oliver Mageney, dem Schatzmeister Thomas Gersema und dem Schriftführer Ralf Schlütemann, folgten der Einladung des Ministerpräsidenten ins Kabinettszimmer in der Niedersächsischen Staatskanzlei. Im Beisein der nds. Justizministerin Barbara Havliza kam es zu einer sehr freundlichen, offenen Begrüßung durch Herrn Ministerpräsident, der sich fortan aus dem Justizvollzug berichten ließ:
Zunächst wollte der Ministerpräsident über Eckdaten wie Personalstärke (gut 3560 Bed.) und Anzahl der Inhaftierten (ca. 4750) Bescheid wissen. Seine Frage, ob dieses Verhältnis üblich bzw. schon immer so gewesen sei, wurde zwar bejaht, jedoch konnte in diesem Zusammenhang auf eine (zwangsweise) Fast-Umkehr vom Behandlungs- in einen reinen Verwahrvollzug aufgrund stetiger Mehraufgaben bei gleichbleibender Personalstärke hingewiesen werden, mit dem Vermerk, dass dies nicht ein wirkliches Ziel von Interesse sein kann.
Natürlich wurde auch kurz über die COVID-19-Pandemie speziell für den Vollzug und das damit zusammenhängende Impfen gesprochen. Hier konnte dem Ministerpräsidenten ein nahezu reibungsloser Verlauf und auch gute Zusammenarbeit mit dem Justizministerium zurückgemeldet werden.
Weiter wurde der Ministerpräsident durch den VNSB-Landesvorstand ausführlich über die Haftplatzkapazitäten und die Belegungssituation, die eine Binnendifferenzierung kaum noch möglich machen, in Kenntnis gesetzt. Auch das sich der Vollzug tendenziell bis 2023 bzgl. seiner Haftplätze in den Minusbereich bewegt statt das zu einer Haftplatzvermehrung kommt.
Gemeinsam mit Frau Ministerin Havliza wurde auf die immense Zunahme neuer, chemisch zusammengesetzter Drogen aufmerksam gemacht, und auf das fast unmögliche Auffinden solcher Substanzen, bspw. in aufgedampfter Art und Weise in der Briefpost der Gefangenen. Gleichzeitig wurde auf seine Nachfrage hin der Ministerpräsident darüber aufgeklärt, dass das Personal des Justizvollzuges mit geschätzt mehr als 75 % Suchtmittelabhängiger- und damit zum Teil psychisch auffälliger Inhaftierter tagtäglich zu tun hat.
Ins Detail ging es schließlich, als über den kapitelspezifischen Durchschnittssatz und den bereits im Jahr 2003 ermittelten Stellplan sowie die seit 2018 verpasste Chance gesprochen wurde, dem Justizvollzug seinen anerkannten, aber nicht zugestandenen Personalbedarf von 200 Stellen gerecht zu werden. Aus dem Justizministerium heißt es zwar, dass 45 Stellen geschaffen wurden; dem konnte der VNSB entgegenhalten, dass lediglich 6 „Köpfe“ also (Wo)Manpower davon in den Justizvollzugsanstalten angekommen ist, der Rest höchstens zur Gegenfinanzierung genutzt wurde. Der Ministerpräsident fragte nach, wie das sein kann und wurde nun darüber informiert, dass es schon ein langer Prozess war, überhaupt mit dem Justizministerium auf eine einheitliche Sprache zu kommen, nicht stets von Stellen oder Beschäftigungsvolumen (BV) zu sprechen, sondern nun einheitlich „BV in VZE“ (Vollzeiteinheiten) die Nenngröße für tatsächliches Personal ist. Dies mache der VNSB in seiner aktuellen Landtagseingabe auch damit deutlich, dass nunmehr statt 200 Stellen 240 BV (VZE) gefordert werden. Das wiederum schien beim Justizministerium immer noch nicht ganz verinnerlicht zu sein; leider blieb auch die Diskrepanz zwischen 6 und 45 letztlich auch auf Grund der Zeit unausgesprochen. Hier ist noch nichts vom Wahlversprechen eines sachlich und personell gut ausgestatteten Justizvollzuges zu spüren. Nicht unerwähnt blieb an dieser Stelle, dass das Justizvollzugspersonal (inkl. der lediglich 6 Zuwächse) haushälterisch abgesichert ist, also bezahlt werden kann. Ergo – für mehr Personal wird künftig auch mehr Geld benötigt.
Das liebe Geld… Leider zückte Herr Ministerpräsident auch nicht gleich das Portemonnaie, als vom Landesvorstand erwähnt wurde, dass ca. 5 Mio. € nötig wären, um am Bildungsinstitut des nds. Justizvollzuges die nötigen Baumaßnahmen zu treffen, die es überhaupt erst ermöglichen würden, die anstehende Anwärterflut (nötig ist sie – hoffentlich kommt sie) adäquat auszubilden und vor allem unterzubringen. Erinnert wurde daran, dass der ehemalige Staatssekretär im Justizminiterium, Herr Dr. von der Beck die Hälfte der Summe eigentlich schon zugesichert hatte. Der Argumentation aus dem Justizministerium, dass uns ein paar Unterkunftsplätze ja nun auch nicht weiterbringen würde, trat der VNSB entschieden entgegen. Hätte man 2018, als der VNSB das erste Mal auf die Problematik aufmerksam machte, angefangen, wäre man weiter! Ein Ausbau um 15 Unterkunftsplätze und eines Multifunktionsraumes wäre ein Einstieg in die bisherigen Versäumnisse!
Letztlich wiederholten die Landesvorstandsmitglieder des VNSB beim Ministerpräsidenten die Forderungen des Verbandes nach dem anerkannten BV/VZE. Auch die Anerkennung von 25 Jahren Wechselschichtdienst wurde erneut gefordert. Die 80 Nachtdienst-Stunden die dazu in 10 Wochen erreicht werden sollten, sind aus Sicht des VNSB utopisch; hier hat der Gesetzgeber etwas geschaffen was nicht umsetzbar ist - und das ist per se schon ein Gesetzesverstoß. Abschließend wurde das Vollziehen der Umsetzung der angehobenen Stellenobergrenzenverordnung gefordert. Die Meinung aus dem Justizministerium, dass andere Berufsgruppen dies auch fordern würden, konterte der VNSB damit, dass die rechtlichen Bedingungen für den Justizvollzug bereits geschaffen sind! Sie müssen nun eben mal mit Geld (783.000 €) hinterlegt werden. Dem Ministerpräsidenten wurden hierzu sog. „One-Pager“ (präzise Formulierung auf einer Seite) überreicht, die sehr gut ankamen.
Ministerpräsident Weil stellte sich am Ende richtigerweise drei Fragen:
1. Wieviel Personal haben wir denn nun im Justizvollzug (6 mehr oder 45 mehr)?
2. Kann man möglicherweise durch Abspecken im Verwaltungsaufwand Luft schaffen (da nach besonderen Vorkommnissen ein stetiger Mehraufwand an Schreibarbeit zur Prävention anfällt).
3. Bauliche Fragen (Sachstand am Bildungsinstitut, aber auch bspw. an der JVA Hannover; Modulbauweise)
Hierzu möchte er sich durch sein Referat schlau machen.
Leider kann nicht unerwähnt bleiben, dass es aber auch zu Ernüchterung kam. Denn der Ministerpräsident konnte dem VNSB-Landesvorstand keine Versprechen machen, da ein Doppelhaushalt ansteht. „Für diesen ist die Messe bereits gelesen“.
Jetzt kommt es wahrscheinlich wieder – was soll schon die Verbandsarbeit oder eine Demonstration vor dem Landtag – sie führt ja eh zu nichts. Das darf man nun aber auf gar keinen Fall so sagen, denn ohne diese Arbeit wüsste Herr Weil gar nichts von den Zuständen rund um den- und innerhalb des Justizvollzuges. Jetzt ist er zumindest unterrichtet und vielleicht stellt er bei kommenden Haushaltsverhandlungen ja die Frage, ob es oben eine Stelle mehr sein muss oder ob an der Basis (Vollzug) noch was offen ist!
Zumindest war Ministerpräsident Weil so interessiert, dass er zugab, sich zuletzt zu wenig mit dem Justizvollzug auseinandergesetzt zu haben. Auch wolle er in absehbarer Zeit mal wieder eine Anstalt aufsuchen. Ihm wurde seitens des VNSB die vor der Haustür liegende, statisch interessante JVA Hannover empfohlen.
In knapp 10 Monaten wird dann über einen Nachtragshaushalt bzw. über die politische Liste gesprochen. Hierzu bot Herr Ministerpräsident Weil dem VNSB-Landesvorstand anerkennender Weise erneut den Dialog an! Wir kommen auch hierauf alsbald zurück.
Der VNSB bedankt sich ausdrücklich bei Ministerpräsident Stephan Weil für die aufgebrachte Zeit, das offene Ohr und die geführte Debatte.
Für den VNSB-Landesvorstand
Ralf Schlütemann
-Schriftleitung-