Vom 07. bis 10. November 2023 fand das Bund-/Ländertreffen der BSBD-Verbände aller Bundesländer statt. Vertreter/-innen der Landesvorstände aus 15 Bundesländern reisten hierfür nach Dessau, denn das Themenland in diesem Jahr war Sachsen-Anhalt.
BSBD – Bund-/Ländertreffen vom 07.-10.11.2023 in Dessau
Vom 07. bis 10. November 2023 fand das Bund-/Ländertreffen der BSBD-Verbände aller Bundesländer statt. Vertreter/-innen der Landesvorstände aus 15 Bundesländern reisten hierfür nach Dessau, denn das Themenland in diesem Jahr war Sachsen-Anhalt. Lediglich die Kollegen/-innen aus Thüringen waren aus nachvollziehbaren Gründen verhindert.
Nach einem gemeinsamen Abendessen als Auftakt begann die Tagung im Konferenzraum des Dormero Hotels Dessau-Roßlau mit einer Vorstellungsrunde aller Kollegen/-innen. Die Anwesenden stellten sich persönlich vor, gaben aber auch insbesondere ihre jeweilige Meinung zu den bislang schleppend voranschreitenden Tarifverhandlungen ab. Hier herrschte im Allgemeinen eine ernüchterte, ja pessimistische Stimmung, da die Arbeitgeber in den bis dato zwei Verhandlungsrunden keinerlei Verständnis, geschweige denn eine adäquate Verhandlungsbereitschaft signalisiert hatten.
Am Mittwoch, den 08. November trafen sich alle um 09:00 Uhr zu dem Bericht des Kollegen Sönke Patzer, stellvertretender Bundesvorsitzender des BSBD, welcher persönlich an allen Verhandlungsrunden teilnimmt und somit aus erster Reihe über die bisherigen Geschehnisse berichten konnte. Sönke erklärte, dass sich die 42 Fachgewerkschaften des dbb im Vorfeld der Verhandlungen auf die Forderung von 10,5 % geeinigt hatten und in den Regionalkonferenzen einstimmig das Ergebnis des Bundes angestrebt wurde.
Dies führte bei den Teilnehmern/-innen bereits zu einer ersten hitzigen Diskussion, weil die allgemein vorherrschende Meinung die 10,5 % Erhöhung als wesentlich zu gering erachtet. Im Vorfeld wurden von den Justiz-Gewerkschaften höhere Forderungen benannt, welche scheinbar von den Vertretern/-innen der Beamtenverbände der Länder so nicht weiter kommuniziert worden sind. Der Unmut darüber wurde deutlich zum Ausdruck gebracht.
Sönke betonte im weiteren Verlauf, dass der dbb nicht alle einzelnen Forderungen der 42 Fachgewerkschaften im Detail erfüllen kann. Zudem müsse man sich im Klaren darüber sein, dass der Hauptverhandlungsführer ver.di sei und erst danach der dbb stünde.
Ein kleiner Teilerfolg der bisherigen Verhandlungen, welcher jedoch noch nicht in schriftlicher Form vorliege, sei, dass für die Gesundheitsfachberufe sowie Pflegeberufe im Justizvollzug eine finanzielle Zulage erfolgen soll.
Nach einer kurzen Pause durften die Teilnehmer/-innen Herrn Steffen Eckold (CDU), den Staatssekretär des Ministeriums für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt begrüßen. Seine durchgehend authentische Rede begann Eckold mit den Worten „Ich hab mich gewundert, dass nur 10,5 % gefordert werden.“ Damit traf er die Meinung der Teilnehmer/-innen auf den Punkt und sorgte mit dieser Aussage für Lacher, Zustimmung und Aufmerksamkeit. Er fuhr fort, dass ihn diese Forderung als Arbeitgeber zwar erfreue, dass er jedoch für seine Arbeitnehmer gern mehr hätte, denn er sei froh darüber, dass es den Justizvollzug gäbe. „Sicherheit ist wichtig! Justizvollzug ist wichtig!“ betonte er. Obwohl er sich dessen bewusst sei, dass wir eine 100%ige Sicherheit nicht gewährleisten können, sei er der Meinung, dass die Sicherheit im Justizvollzug – mit kleineren Ausnahmen – gewährleistet sei.
Personell, so Eckold, sei man in der Justiz in Sachsen-Anhalt eigentlich sehr gut aufgestellt, obwohl sich auch hier der Fachkräftemangel bemerkbar mache. Auch an der Motivation innerhalb müsse gearbeitet werden. In Sachsen-Anhalt bediene man sich an einer neuen Personalgewinnungskampagne. So trete man schon frühzeitig an potentiell künftiges Personal heran, indem man bereits in die Schulen geht. Dort wird den jungen Menschen sowie deren Eltern die Vielfalt der Arbeit im Justizvollzug vermittelt. Diese Erkenntnis mache den späteren Einstieg für die Menschen attraktiver. Zudem werde die Personalberechnung durch das MJ gesteuert und für jede Anstalt individuell berechnet, um die jeweiligen Begebenheiten und Aufgaben der JVA’en berücksichtigen zu können. Durch ein so genanntes „Feinkonzept“, welches neben dem Vollzug auch z.B. die Gerichte beinhaltet, jährlich überarbeitet und auch dem Finanzminister vorgelegt wird, stelle Sachsen-Anhalt bereits seit einiger Zeit im Bereich der Justiz über den Bedarf ein. Dieser Personalüberhang sei nicht schlimm, meint Eckold, da man so für die Zukunft Vorsorge treffen kann. Seiner Ansicht nach falle der Justizvollzug hier also nicht „hinten runter“.
Eckold schnitt auch noch Themen wie den Mindestlohn für die Gefangenen, den immer schwieriger werdenden Resozialisierungsansatz aufgrund des sich verändernden Gefangenenklientel sowie die Zusammenarbeit mit den privaten Partnern in teilprivatisierten Anstalten an. Die Verhandlungen mit dem MF über Zulagen für den Justizvollzug, sagte er, seien immer sehr schwer. Doch er habe sich bislang und werde sich auch weiterhin dafür einsetzen, denn „Es geht um die Menschen, die im Justizvollzug arbeiten.“
Ab dem Nachmittag des 08. November sowie am darauffolgenden Tag berichteten die Landesvorstände über die allgemeine Situation, die Herausforderungen sowie die in der letzten Zeit erreichten Erfolge und gesteckten Ziele in ihren jeweiligen Bundesländern. Einheitlich konnte festgestellt werden, dass es zunehmend schwerer wird, geeignetes Personal zu akquirieren sowie vorhandenes Personal zu halten. Der Status eines Beamten auf Lebenszeit hat schon lange seine Bedeutung verloren, besonders in der jüngeren Generation. Es kommt immer häufiger vor, dass der Beamtenstatus zugunsten einer attraktiveren Stelle in der freien Wirtschaft aufgegeben wird. Hierbei spielen sowohl die angenehmeren Arbeitszeiten als auch die Bezahlung die auschlaggebenden Rollen. In allen Bundesländern kämpfe man um die fehlende Wertschätzung, in menschlicher wie auch in monetärer Hinsicht. Ebenso berichten alle einstimmig über die zunehmende Gewaltbereitschaft der Gefangenen gegenüber Bediensteten. In einigen Bundesländern gab es in der jüngsten Zeit derart heftige Übergriffe, dass die betroffenen Kollegen/-innen äußerst schwere psychische und körperliche Schäden, bis hin zur Dienstunfähigkeit, erlitten haben.
Gravierende Unterschiede gibt es zwischen den Bundesländern, was die Gitterzulagen sowie die Bezahlung der Dienste zu ungünstigen Zeiten angeht. In Bayern beispielsweise werden die Sonntage bereits mit € 5,- besoldet, eine weitere Anhebung ist angestrebt. Bayern nimmt also im Bundesgebiet eine Vorreiterrolle ein. Hamburg bildet mit einer Gitterzulage von € 101,- das Schlusslicht im Bundesgebiet, im Saarland beträgt sie aktuell € 111,-, in Mecklenburg-Vorpommern € 131,-, in Niedersachsen wiederum € 180,-. Der Unmut hierüber ist absolut verständlich, da doch alle Kollegen/-innen der gleichen Tätigkeit nachgehen.
In Baden-Württemberg wurde vor kurzem die Freie Heilfürsorge eingeführt. Besonders die jungen Kollegen/-innen haben damit gute Erfahrungen gemacht. Älteren Kollegen/-innen wird angeraten sich die Rentabilität von ihrer Versicherung berechnen zu lassen. Ein wesentlicher Vorteil der Freien Heilfürsorge sei es, dass alles direkt abgerechnet wird, es bedarf also keines Schriftverkehrs mehr wie bei der Kombination aus Beihilfe und privater Krankenversicherung. Jedoch müsse man für die Pension vorsorgen, um einerseits überhaupt von der Krankenkasse übernommen zu werden und andererseits in der Pension nicht zu hohe KV-Beiträge zu haben.
Bremen berichtet über den Trend, dass in letzter Zeit immer wieder Politiker in der JVA hospitieren würden. Es wäre wünschenswert, wenn dadurch die Einstellung der Politik gegenüber dem Justizvollzug positiv beeinflusst würde.
Hamburg hat derzeit die erschreckende Zahl von 25 laufenden Disziplinarverfahren gegen Kollegen/-innen zu vermelden. Leider sei eine Vielzahl davon auch berechtigt.
Nordrhein-Westfalen berichtet darüber, dass demnächst 300 Gefangene aus dem Maßregelvollzug in die JVA’en verlegt werden sollen. Für diese Art von Gefangenen wird speziell geschultes Personal benötigt, welches nicht verfügbar ist. Hier stehe man also vor einer großen Herausforderung.
In Rheinland-Pfalz wurde die Ausbildung der Anwärter/-innen auf 18 Monate gekürzt. Der erste Lehrgang hat im Sommer die Ausbildung beendet. Doch die Kollegen/-innen berichten, dass sich das Fehlen der 6 Monate bereits jetzt an der Qualität bemerkbar mache.
Der saarländische Landesvorstand berichtet über einen Besuch in Litauen. In den dortigen Anstalten tragen bereits alle Kollegen/-innen Body-Cams und Teaser. Hierbei dienen die Body-Cams nicht, wie die Teilnehmer/-innen befürchten, zur Kontrolle der Bediensteten, sondern tatsächlich dazu, die Abläufe von Vorkommnissen adäquat aufarbeiten zu können. Auch seien in Litauen alle Zellen hinter der Haftraumtür mit einer Gittertür ausgestattet. Dies gewährleistet zusätzlichen Schutz für das Personal.
Der Kollege aus Sachsen teilte zum Entsetzen und Unverständnis aller Anwesenden mit, dass angehende Anwärter ihre Tattoos fotografieren und diese Bilder zur Vorstellung beim vollzugsärztlichen Dienst mitbringen müssen. Doch vereinzelt gäbe es hiergegen bereits Klagen.
Abschließend informiert René Müller, Bundesvorsitzender des BSBD, über verschiedene aktuelle Themen.
Ein wichtiger Punkt in seinem Bericht sind die so genannten „Gefährder“. Derzeit sei noch nicht absehbar, was da genau auf den Justizvollzug zukommt. Sicher ist jedoch, dass weder räumlich noch personell die Kapazitäten vorhanden sind, um diese Aufgabe bewerkstelligen zu können. Bei der rechtspolitischen Sprecherin liegt das Thema jedoch bereits vor. In diesem Zusammenhang ist es noch wichtig zu wissen, dass mittlerweile selbst Sprüche, die den Anschein erwecken einen terroristischen Hintergrund zu haben, meldepflichtig sind.
Weiter weist René darauf hin, dass im Umgang mit der AFD extreme Vorsicht geboten sei. In fast allen Bundesländern bemächtigt sich die AFD durch scheinbar gute Recherchen der brisanten und relevanten Themen der Justiz, was bei vielen Kollegen Anklang findet.
Er ruft weiter dazu auf, den Ministern der Länder „unterzujubeln“, dass der BSBD mit dem BMJ über die aktuellen Themen sprechen möchte, jedoch bislang keine Reaktion seitens des BMJ erfolgt sei bzw. keine Gespräche zustande gekommen sind.
Mit der Bekanntgabe, dass das nächste Ländertreffen vom 27.10. bis 30.10.2024 in Nordrhein-Westfalen stattfindet, war der offizielle Teil des Bund-/Ländertreffens beendet.
Am Freitag, den 10.11.2024 ging es jedoch bereits um 6 Uhr morgens für alle Teilnehmer/-innen mit dem Bus in die Landeshauptstadt Berlin. Dort fand die Justizministerkonferenz statt. Dies war ein guter Anlass für eine Protestaktion, selbstverständlich im Hinblick auf die schleppenden Tarifverhandlungen. Zusammen mit Vertreter/-innen von BSBD, dbb und DJG wurde beim Eintreffen der Justizminister/-innen der Bundesländer für faire Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen protestiert. „Es geht um Respekt, der auch im Geldbeutel ankommt“, äußerte sich Volker Geyer, dbb Tarifchef und erntete dafür die laustarke Zustimmung der Protestteilnehmer/-innen. Fast alle Justizminister/-innen kamen bei ihrer Anreise auf die Vertreter/-innen der Gewerkschaften ihrer Länder zu und nahmen sich Zeit für persönliche Gespräche. Somit konnten die Gewerkschaftsvorstände erneut ihre Forderungen und Belange anbringen.
Durch die Anreise der Teilnehmenden des BSBD Bund-/Ländertreffens waren fast alle Bundesländer versammelt und setzten so ein klares Statement: Die Justiz in ganz Deutschland hält zusammen und steht solidarisch für die Forderungen ein!
Abschließend bleibt zu sagen, dass das diesjährige BSBD Bund-/Ländertreffen eine durchaus gelungene Veranstaltung war und der Austausch untereinander auch für die Zukunft ein wichtiger Baustein sein wird, um gemeinsam stetig weiter für eine bessere Zukunft aller Justizvollzugsbediensteten in Deutschland einzustehen!