13. März 2018

Landesvorstand mit freundlicher Genehmigung Lüneburger Zeitung

Der harte Job im Knast

Die Justizvollzugsfachwirte in Niedersachsen fordern bessere Arbeitsbedingungen. Auch der Ruf nach mehr Personal wird laut

Von Rainer Schubert

Lüneburg. Die Aufgaben nehmen zu, die Besoldung liegt im Vergleich mit anderen Bundesländern am unteren Bereich, wer an Niedersachsens Grenze zu einem anderen Bundesland lebt, sucht sich eine neue Stelle eben dort, und Nachwuchs ist kaum noch zu finden. So skizziert Uwe Oelkers die Situation der fast 3000 Vollzugsfachwirte in Niedersachsen und die der rund 900 Psychologen, Sozialarbeiter, Juristen und Mediziner in den Justizvollzugsanstalten, 30 Prozent der Bediensteten sind Frauen. Der Landesvorsitzende des Verbandes Niedersächsischer Strafvollzugsbediensteter (VNSB) kam jetzt auf Einladung des Lüneburger Ortsverbandsvorsitzenden Detlev Gebers in die Hansestadt und klagte das Leid der Kollegen Andrea Schröder-Ehlers, rechtspolitische Sprecherin der SPD- Landtagsfraktion.

Gerade erst hatte Justizministerin Barbara Havliza bei ihrem Antrittsbesuch beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg erklärt, dass bis 2022 rund 250 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen werden sollen, Zahlen fürs Gefängnis-Personal nannte sie nicht.

Lüneburger Anstalt kann 50 U-Häftlinge unterbringen

Oelkers kennt die Probleme der Mitarbeiter auch in der Lüneburger Abteilung der Justizvollzugsanstalt Uelzen mit 50 Haftplätzen: „Die Gefängnisse sind sehr voll. In jüngster Zeit sind zusätzliche Aufgaben hinzugekommen.“ Als Beispiel nennt er das, was politisch als „familienfreundlicher Strafvollzug“ gilt: „Unter anderem gibt es mehr Be- suchszeiten, zudem einen Familientag, an dem sich die Bediensteten auch mit den Familien der Inhaftierten beschädigen müssen.“ Hinzugekommen sei auch das „Übergangsmanagement“: „Die Bediensteten bereiten Häftlinge vernüftig auf deren Ent- lassung bevor.“ Auch gehöre das Bewachen von aktuell 40 sogenannter Sicherheitsverwahrten zu den neuen Aufgaben: „Jedem steht ein begleiteter Ausgang pro Monat zur Verfügung – das bindet Personal.“ Und mttlerweile seien auch IS-Terroristen in den Anstalten untergebracht.

Zur Bezahlung sagt Oelkers: „Wird die Besoldung nicht geändert, gibt es dramatische Probleme, Personal in die JVAs zu bekommen. Niedersächsische Bedienstete wandern bereits in Gefängnisse in andere Bundesländer oder in die Privatwirtschaft ab.“

Auch für Ärzte ist der Anstaltsdienst unatraktiv.

In Niedersachsen wird im Gegensatz zu einigen anderen Ländern kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld mehr bezahlt. Die Mehrheit der schichtdienstleistenden Kollegen sind in Besoldungsgruppe A7. Ein Bediensteter, 32 Jahre alt, erhält brutto 2473,70 Euro. Dazu gibt‘s eine allgemeine Stellenzulage von 20,09 Euro sowie eine Justizvollzugszulage von 95,53 Euro. Zudem gebe es noch eine Zulage bei „Diensten zu ungünstigen Zeiten“. Nachwuchsprobleme sieht der Landesvorsitzende aber auch in anderen Bereichen: „Wir bekommen keine Ärzte mehr. Einige Anstalten schließen bereits teure Verträge mit niedergelassenen Ärzten ab, die dann in die Justizvollzugsanstalten kommen. Einige Inhaftierte kommen auch in Kliniken, dafür muss Bewachungspersonal gestellt werden – das fehlt dann in den Gefängnissen.“

Zu den Problemen zählt Oelkers auch „das veränderte Klientel“ mit der wachsenden Zahl drogen- und alkoholabhängiger sowie psychisch kranker Gefangener und Flüchtlinge. Das Leben hinter Gittern sei rauer geworden. Hier nennt er Inhaftierte aus Nordafrika, die Anweisungen von weiblichen Bediensteten nicht folgen, die Frauen anpöbeln und vor ihnen ausspucken würden: „Mir ist auch schon von Entblößungen vor Kolleginnen berichtet worden.“

Hintergrund

Der Vollzug in Zahlen

Niedersachsen verfügt über 13 Justizvollzugsanstalten. Die größte ist die JVA Lingen, dort können mehr als 800 Gefangene untergebracht werden. Lüneburg mit seinen 50 Haftplätzen ist eine der kleinsten Haftanstalten und ein reines Untersuchungshagefängnis. 2015 waren rund 4770 Personen inhaftiert, 2000 waren es noch rund 6550. 82 Prozent der Gefangenen verbüßen Freiheits- oder Jugendstrafen. 14,1 Prozent sind Untersuchungsgefangene und 0,1 Prozent Abschiebungsgefangene. Etwa 25 Prozent aller Gefangenen sind Ausländer. Der Anteil weiblicher Gefangener liegt bei 5,1 Prozent.

Wichtiger Wirtschaftsfaktor ist der Strafvollzug. 235 Millionen Euro für Personal sowie Sach- und Dienstleistungen fließen in den Wirtschftskreislauf. Die Überschüsse der Arbeitsbetriebe der Anstalten gehen in den Landeshaushalt. Dadurch wird ein Teil der Kosten für den Vollzug ausgeglichen.